Dienstag, 25. Mai 2010

7.3 Das Kairos Palästina Dokument

Entstehung

Eine Gruppe palästinensischer Christen und Christinnen aus mehreren Kirchen und kirchlichen Organisationen veröffentlicht im Dezember 2009 einen leidenschaftlichen Aufruf zur Beendigung der Besetzung Palästinas durch Israel.
Der Appell wird in Anlehnung an einen ähnlichen Aufruf, den südafrikanische Kirchen 1985 auf dem Höhepunkt der Unterdrückung unter dem Apartheidregime erlassen haben, "Kairos Palästina-Dokument" genannt..
Die Menschen, die sich in diesem Dokument zu Wort melden. sind als Christen eine Minderheit unter den muslimischen Palästinensern. In diesem Konflikt treffen Juden, Christen und Muslime aufeinander, Sie geben ihrem Appell die Überschrift: „Die Stunde der Wahrheit: Ein Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aus der Mitte des Leidens der Palästinenser und Palästinenserinnen.“ Sie fordern vom Staat Israel Gerechtigkeit als Voraussetzung und Bedingung für den Frieden.

Verbreitung

Warum hat dies Dokument in den deutschen Kirchen wenig Aufmerksamkeit gefunden? Warum hat es die von den palästinensischer Christen und Christinnen erhoffte Wirkung bisher nicht hervorgebracht? Werden etwa die Leiden unter der israelischen Besatzung übertrieben? Zeigen die palästinensischen Christinnen und Christen zu viel Verständnis für den gewaltsamen Widerstand der palästinensischen Freiheitsbewegung, vor allem der Hamas, gegen die israelische Besatzung? Ist die Forderung, gewaltlos für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten, nicht überzeugend genug? Ist manchen die Sprache zu "fromm"? WerdenChristen und Kirchen in Deutschland durch das Bewusstsein der Mitschuld deutscher Kirchen an der Schoa daran gehindert, heute Kritik am Staat Israel zu üben? Oder ist für den Gott Israels, den doch Juden, Christen und Muslime anrufen, noch nicht die Stunde gekommen, durch seinen Geist das Beten und Tun gläubiger Menschen zu segnen?
Wie auch immer: Beim Kairos Palästina Dokument handelt es sich um einen ernsthaften und ehrlichen Versuch, einen unhaltbaren Zustand auf dem Boden des verheißenen Landes zu beenden. Die Argumente dafür kommen aus dem christlichen Glauben, sollten also auch von den Christen in aller Welt, besonders aber in Deutschland gehört werden.

Zitate

Wir christlichen Palästinenserinnen und Palästinenser glauben wie alle Christen in der ganzen Welt, dass Jesus Christus in die Welt gekommen ist, um das Gesetz und die Weissagung der Propheten zu erfüllen. (2.21)

Unser Herr Jesus Christus kam in die Welt und verkündigte, dass Himmelreich nahe herbeigekommen sei. Er löste im Leben und Glauben der ganzen Menschheit eine Revolution aus...Wir glauben, dass das Wort Gottes ein lebendiges Wort ist, das jede Epoche der Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lässt ...
Deshalb darf das Wort Gottes nicht in steinerne Buchstaben verwandelt werden, die die Liebe Gottes und Seine Fürsorge im Leben der Völker und jedes einzelnen Menschen entstellen. Diesem Irrtum erliegt die fundamentalistische Bibelauslegung, die uns Tod und Zerstörung bringt, wenn das Wort Gottes versteinert und von einer Generation auf die andere als toter Buchstabe tradiert wird. Dieser tote Buchstabe wird in unserer derzeitigen Geschichte als Waffe benutzt, um uns unserer Rechte und unseres Landes zu berauben. (2.34)

Wir glauben, dass unser Land einen universellen Auftrag hat. In dieser Universalität erweitert sich die Bedeutung der Verheißungen, des Landes, der Erwählung und des Volkes Gottes und schließt die ganze Menschheit ein - beginnend bei allen Völkern, die in diesem Land wohnen. Im Lichte der Lehren der Heiligen Schrift war die Verheißung des Landes zu keiner Zeit ein politisches Programm, sondern vielmehr der Auftakt zur vollständigen universellen Erlösung. Sie war der Beginn der Vollendung des Reiches Gottes auf Erden. (2.3)


Unser Land ist wie alle Länder auf der Welt Gottes Land...Gott hat uns als zwei Völker hierher gestellt, und Gott gibt uns, wenn wir es nur aufrichtig wollen, auch die Kraft, zusammenzuleben und Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen, das Land wahrhaft in Gottes Land zu verwandeln: "Dem Herrn gehört die Erde, und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohenr " (Ps 24, 1) (2.31)

Das Fundament unserer Vision und unseres ganzen Lebens ist Jerusalem.
Dieser Stadt hat Gott in der Geschichte der Menschheit eine ganz besondere Bedeutung beigemessen. Alle Menschen sind auf dem Weg in diese Stadt – wo sie sich in Freundschaft und Liebe und in der Gegenwart des einen Gottes nach der Vision des Propheten Jesaja zusammenfinden werden: "Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrnsteht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker (...) Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg"
(Jes 2, 2-5). 9.5
(zitiert aus "Reihe: Kleine Texte 30 AphorismA Verlag)

Kommentar zum Kairos Palästina Dokument

Ein gewichtiger Einwand: Ohne Zweifel wird Palästinensern durch die Politik des Staates Israel schweres Unrecht zugefügt. Sie übersehen aber, dass viele Menschen in Afrika und in anderen Ländern unter Unterdrückung und schweren Verletzungen der Menschenrechte durch korrupte Regierungen und brutale Despoten noch viel mehr zu leiden haben.
Oder: Die Palästinenser maßen sich an, ihr Schicksal zum Brennpunkt der Weltpolitik zu machen.

Die Zitate, die ich aus dem Kairos-Palästina-Dokument zusammengestellt habe, lassen mit wünschenswerter Deutlichkeit erkennen, dass sich die christlichen Palästinenser auf die Botschaft der Bibel berufen, wenn sie dem Heiligen Land und vor allem der Stadt Jerusalem eine besondere Bedeutung zusprechen:
„Das Fundament unserer Vision und unseres ganzen Lebens ist Jerusalem. Dieser Stadt hat Gott in der Geschichte der Menschheit eine ganz besondere Bedeutung beigemessen. Alle Menschen sind auf dem Weg in diese Stadt…“ (9.5)

Das ist eine Anfrage an ihre und unsere Theologie.
Dass Jerusalem und seine Geschichte in der hebräischen Bibel und also auch für alle Juden eine zentrale Rolle spielt, ist klar. Aber wie steht es mit den Christen? Paulus nennt nicht Jerusalem, sondern Jesus Christus das Fundament (1. Korinther 3, 11). Aber Jesus war Jude und das Bekenntnis zu ihm, dass er der verheißene Messias sei, hat ihn eingefügt in die Geschichte dieses Volkes. Und wenn es wahr ist, dass in seinem Wirken Gottes Wille auf Erden geschehen ist (Matthäus 6,10), dass in seinem Leben und Sterben das Reich Gottes sichtbar wurde in der Welt (Markus 1,15), dann war diese Erde, diese Welt konkret Palästina und Israel und vor allem die Stadt Jerusalem, in der er von den Römern gekreuzigt wurde, die heute im Zentrum des Nahostkonfliktes steht.

Wenn Friede in der Welt einkehren soll - muss sie nicht da anfangen, in der heiligen Stadt dreier Weltreligionen? Dass ausgerechnet um diese Stadt in Jahrhunderten gekämpft wurde, dass sie von Unfrieden zerrissen ist – ist dies nicht eine besondere Herausforderung an Juden und Christen und Muslime, besonders für diese Stadt den Frieden zu erflehen, in dieser Stadt den Frieden zu erbauen? Das kann nicht gehen ohne Gerechtigkeit für alle. Es ist eine Herausforderung auch für die Muslime. Auch für sie ist ja Jerusalem ein Zentrum ihres Glaubens, auch für sie ist Abraham der Vater, von dem sie ihr Geschlecht und ihre Religion ableiten.

Ich bin tief davon überzeugt, dass Frieden und Gerechtigkeit in die ganze Welt ausstrahlen werden, wenn sie in diesem heilig-unheiligen Land, auf dem Zion, in Jerusalem endlich realisiert werden

1 Kommentar:

  1. Dieser Kommentar ist ganz aus der Sicht der islamischen Welt geschrieben.
    Ich sehe auch die Gefahr, die vom "blutigen Wahnsinn der Mächtigen" in dieser Welt ausgeht. Der blutige Wahnsinn findet aber überall dort statt, wo mit atomarer und kriegerischer Vergeltung gedroht wird. Die Vergeltung wird eindeutig durch Jesus von Nazareth unterbrochen. Werner Dierlamm.

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