Dienstag, 25. Mai 2010

3. 1 Altes Testament und Geschichte Israels

Mir ist das Alte Testament als erster Teil der christlichen Bibel wichtig, weil ich überzeugt bin, dass wir das Neue Testament gar nicht richtig verstehen können, wenn wir seine tiefe Verwurzelung im Alten Testament nicht beachten.

Jesus aus Nazareth war Jude und bezieht sich in seinen Äußerungen immer wieder auf die hebräische Bibel, wie auch der größte Theologe des Neuen Testaments, der Jude Paulus aus Tarsus.

Die "Bibel" ist zuerst die Heilige Schrift der Juden

Wir müssen uns klar machen, dass es zur Zeit der Entstehung der christlichen Kirche, in den Jahrzehnten nach dem Auftreten Jesu, noch kein Neues Testament gegeben hat. Seine ersten Teile sind die sogenannten echten Briefe des Paulus, ca 50-60 n. Chr. Die Evangelien folgen erst nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer in den Jahrzehnten 70- 100 n. Christus.

Der Kampf um das Heilige Land

Die Geschichte Israels wird vom Auszug aus Ägypten an auch als Kette von Kriegen um das verheißene Land beschrieben. Historiker weisen darauf hin, dass es sich in Wirklichkeit eher um ein allmähliches Einsickern der Israeliten in das Land am Jordan gehandelt haben dürfte. Geschichtlich wirksam geworden aber ist bis heute der Wortlaut der heiligen Schriften, die Theologie, die ihnen zugrundliegt. Der Gott Israels geht im Krieg voran, er hilft seinem Volk zum Sieg über die Nachbarvölker. Wenn die Israeliten den Kampf verlieren, dann deswegen, weil sie Gott ungehorsam sind oder Götzendienst treiben und dadurch den Zorn und die Strafe Gottes herausfordern. Nirgendwo wird das Recht zum Kriegführen grundsätzlich in Frage gestellt. Die Grausamkeit dieser Auseinandersetzungen wird oft drastisch geschildert und von kritischen Lesern des Alten Testaments hervorgehoben und beklagt. Sie spiegelt nur die Grausamkeiten in der Geschichte der Völker wider, an denen ja die Christen später viel mehr beteiligt waren als die Juden damals.

Der König David

Das Leben Davids und sein Königreich ca 1000 v. Chr. wird als nie wieder erreichter Höhepunkt in der Geschichte Israels beschrieben. Er erobert den Zion, die Bergfeste in Jerusalem und errichtet auf ihr seinen Palast. Mit ihm beginnt der Zionismus. Das 1. Buch der Chronik (wahrscheinlich entstanden am Ende des 4.Jahrhunderts v. Chr.) befasst sich in seinem zweiten Teil von Kapitel 11- bis Kap 29 ausschließlich mit dem Reich Davids. Gott hat ihm den Sieg g über alle seine Feinde gegeben.
Gott spricht durch Natan zu David: „…Ich war es, der dich von der Weide genommen hat, von den Schafen weg, damit du Erhöhter über mein Volk Israel wirst. Und ich war mit dir während der ganzen Zeit, bei all deinem Handeln, und ich habe alle, die dir feindlich gesinnt waren, vor deinem Angesicht vernichtet. Dir werde ich einen Namen machen gleich den Namen der Großen, die es auf dieser Erde gibt…Alle, die dir feindlich gesinnt sind, werde ich unterwerfen." (1. Chr. 17, 7-8.10 Übersetzung: Bibel in gerechter Spache).
Die Geschichte Israels, wie sie im Alten Testament geschildert wird, ist ein Teil der Weltgeschichte in den letzten 5000 Jahren, die oft als kriegerische Auseinandersetzung der Völker und als Aufstieg und Untergang von einander folgenden Großreichen beschrieben wird. Der wahre Herr der Völker aber ist JHWH, der das kleine Volk Israel als sein Eigentumsvolk erwählt hat und die Geschichte der Völker lenkt. Dass das Königreich Davids keinen Bestand hatte, ist nach dem Zeugnis dieser Richtung alttestamentlicher Theologie allein dem Ungehorsam des Volkes Gottes zuzuschreiben.

Von der Überwindung des Militärwesens

Umso wichtiger ist, dass mitten im Alten Testament auch vom Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen die Rede ist, vom Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, das der Gott Israels für alle Völker errichten wird.

Jesaja 2, 1-5

Jerusalem als Mittelpunkt des messianischen Reiches

1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amos, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat
2 Am Ende der Tage wird es geschehen:
Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker.
3 Viele Nationen machen sich auf den Weg; sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs.Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort.
4 Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.
5 Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.
(Einheitsübersetzung)

Micha 4,1-5

1 Und es wird geschehen am Ende der Tage: Da wird der Berg des Hauses Adonajs fest gegründet als der Höchste der Berge, erhabener als die Hügel sein. Und strömen werden zu ihm Nationen
2 Und viele Völker werden gehen und sagen: „Auf! Wir wollen hinaufziehen zum Berg Adonajs und zum Haus von Jakobs Gott, dass wir in Gottes Wegen unterwiesen werden und auf Gottes Pfaden wandeln!“ Denn von Zion geht Weisung aus und das Wort Adonajs von Jerusalem.
3 Und Gott wird schlichten zwischen vielen Nationen und starken Völkern Recht sprechen bis in ferne Länder. Und sie werden ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscharen und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.
4 Und alle werden unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum – und niemand wird sie aufschrecken. Denn der Mund Adonajs der Himmelsmächte hat geredet.
5 Ja, alle Nationen wandeln jeweils im Namen ihrer Gottheit, und wir, wir wandeln im Namen Adonajs, unserer Gottheit, für immer und ewig.
(Bibel in gerechter Sprache)

Jesaja 9,1-6
Die Verheißung der Geburt des göttlichen Kindes


1 Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht;
über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.
2 Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude.Man freut sich in deiner Nähe, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird.
3 Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers.
4 Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
6 Seine Herrschaft ist groß, und der Friede hat kein Ende. Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich; er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit, jetzt und für alle Zeiten. Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere wird das vollbringen.
(Einheitsübersetzung)

Psalm 46,8-10

Der Herr der Welt ist bei uns,
der Gott Jakobs ist unser Schutz!
Kommt und seht, wie mächtig der Herr ist,
wie er Furcht und Schrecken auf der Erde
verbreitet:
Er macht dem Krieg ein Ende in aller Welt;
die Bogen zerbricht er,
die Spieße zerschlägt er
die Schilde verbrennt er.
„Macht Frieden!“, ruft er.
„Erkennt, dass ich Gott bin!
Ich habe Macht über die Völker der Erde.“
Der Herr der Welt ist bei uns,
der Gott Jakobs ist unser Schutz!
(Gute Nachricht)

Sacharja 9, 9-10
Verheißung des messianischen Friedensreiches


9 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
10 Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und die Kriegsbogen sollen zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis zu den Enden der Erde.
(Revidierte Lutherübersetzung)


Einige Bemerkungen zu den zitierten Sätzen aus dem Alten Testament vom Ende des Krieges:

• Unter den vielen kriegerischen Texten des Alten Testaments sind es nur wenige, die vom Ende aller Kriege berichten. Umso öfter werden gerade diese in den christlichen Gottesdiensten zitiert und gehören darum zu den bekanntesten Texten des Alten Testaments


• Natürlich findet in all diesen Texten auch eine allgemeine Hoffnung auf Frieden, ein Traum, eine Vision ihren Niederschlag, aber es handelt sich um mehr. Es ist die Rede von einem bestimmten Gott, der das Ende der Kriege herbeiführt, vom Gott Jakobs, von einem konkreten Ort, zu dem die Völker hinaufziehen, vom Berg Gottes, von Jerusalem. Es ist die Rede von sehr konkreten Vorgängen: sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden, ihre Schilde und blutbefleckten Mäntel verbrennen, das Kriegshandwerk nicht mehr lernen. Es ist die Rede von dem König, der im Auftrag Gottes das Wunder vollbringen wird, vom Messias. Nicht nur von menschlich/allzu menschlichen Wunschträumen ist hier die Rede, sondern von einer bestimmten Verheißung, von dem, was Gott tun wird. Denn Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.

• Am wenigsten bekannt unter den zitierten Texten dürfte der Schluss von
Psalm 46, 8-10 sein. Und doch handelt es sich um den Psalm, den Luther seinem trotzigen Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ zugrundegelegt hat und der in der Lutherbibel auch mit diese Überschrift versehen wurde. Aber Luther hat die Pointe des Psalms nicht erkannt oder eher ignoriert, weil er es bei all seiner Glaubenskraft wohl für unmöglich hielt, dass Gott tatsächlich selbst an die Stelle von Bogen und Spießen für den Angriff und Schilden für die Verteidigung treten wolle :

„Macht Frieden!“, ruft er.
„Erkennt, dass ich Gott bin!
Ich habe Macht über die Völker der Erde.“
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Ich füge noch einen Text hinzu, den wir bei der fortlaufenden Lektüre des Jesajabuches gefunden haben:

Jesaja 19,23-25

23 Zu der Zeit wird eine Straße sein von Ägypten nach Assyrien, dass die Assyrer nach Ägypten und die Ägypter nach Assyrien kommen und die Ägypter samt den Assyrern Gott dienen.
24 Zu der Zeit wird Israel der Dritte sein mit den Ägyptern und Assyrern, ein Segen mitten auf Erden;
25 denn der HERR Zebaoth wird sie segnen und sprechen: Gesegnet bist du, Ägypten, mein Volk, und du, Assur, meiner Hände Werk und du, Israel, mein Erbe!
(Revidierte Lutherübersetzung)





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