Dienstag, 25. Mai 2010

2.3 Dietrich Bonhoeffer

Dietrich Bonhoeffer ist weltweit wahrscheinlich der am meisten gelesene deutschsprachige Theologe. In der neu erbauten Kathedrale in Coventry können wir ihn unter den in Stein gehauenen Heiligen finden. Im "Dritten Reich" gehörte er zur Bekennenden Kirche, die vor allem durch die Theologie von Karl Barth geprägt war. Erst nach der Hinrichtung von Bonhoeffer in Flossenbürg am 9. April 1945 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist seine große Bedeutung mehr und mehr erkannt worden.

Die Bedeutung der Bergpredigt für Bonhoeffer

Am 14 Januar 1935 schreibt Bonhoeffer an seinen Vater Karl-Friedrich Bonhoeffer:
„ Es mag ja sein, dass ich in manchen Dingen Dir etwas fanatisch und verrückt erscheine. Und ich habe selbst manchmal Angst davor. Aber ich weiß, wenn ich vernünftiger wäre, so müsste ich am nächsten Tag ehrlicherweise meine ganze Theologie an den Nagel hängen…
Ich glaube zu wissen, dass ich eigentlich erst innerlich klar und wirklich aufrichtig sein würde, wenn ich mit der Bergpredigt wirklich anfinge, Ernst zu machen. Hier sitzt die einzige Kraftquelle …
Die Restauration der Kirche kommt gewiss aus einer Art neuen Mönchtums, das mit dem alten nur die Kompromisslosigkeit eines Lebens nach der Bergpredigt in der Nachfolge Christi gemeinsam hat….
Ich kann mir immer noch gar nicht recht denken, dass du wirklich diese Gedanken alle für so gänzlich irrsinnig hältst. Es gibt doch nun einmal Dinge, für die es sich lohnt, kompromisslos einzutreten. Und mir scheint, der Friede und die soziale Gerechtigkeit, oder eigentlich Christus, sei so etwas…“

Fanö 1934

Für mich und unzählige Freundinnen und Freunde der Friedensbewegung wurde eine Andacht von Dietrich Bonhoeffer 1934 bei einer ökumenischen Versammlung in Fanö ungemein hilfreich und wegweisend. Diese Andacht ist exemplarisch für Bonhoeffers „Kompromisslosigkeit eines Lebens nach der Bergpredigt.“
Eberhard Bethge schreibt dazu in seiner Bonhoeffer-Biographie (Chr. Kaiser 1978):
"Sehr gedrängt formuliert, ist diese Ansprache Bonhoeffers einseitigste und stärkste Äußerung zum Frieden, die wir besitzen. Sie trägt die Kennzeichen jener düsteren Wochen und reicht doch weit über die Tage Hitlers hinaus. Hier in der gottesdienstlichen Verkündigung konnte er die Erwägungen zur Problematik des Für und Wider hinter sich lassen. Hier ging es nicht um das ratlose Austauschen offener Fragen, sondern um die direkte Aufforderung, Entscheidungen zu wagen." (S. 449).

In dieser Andacht – 1934 – sagt Bonhoeffer:
„Die Stunde eilt – die Welt starrt in Waffen und furchtbar schaut das Misstrauen aus allen Augen, die Kriegsfanfare kann morgen geblasen werden.“ 1939 wurde seine düstere Vision Wirklichkeit.

Beteiligung an der Verschwörung gegen Hitler

Im Haus Bonhoeffers trafen sich Menschen im Widerstand gegen das Dritte Reich. Sie planten eine Verschwörung, die zu Hitlers Ermordung führen sollte. Dietrich Bonhoeffer schloss sich dieser Gruppe nach langen Bedenken an.
Niemand wird bestreiten wollen, dass Bonhoeffer in den Kriegsjahren ganz anders handelte, als er damals, 1934, in Fanö gepredigt hat. Zugleich zeigt diese Entscheidung zum gewaltbereiten Widerstand, dass dies immer noch der gleiche Dietrich Bonhoeffer ist. Es ist kein Bruch seiner Persönlichkeit wahrnehmbar. In der Kühnheit seines Glaubens, in seinem großen Mut zum Wagnis, in der Konsequenz seines Handelns ist er auch bereit, Leiden und Tod auf sich zu nehmen. Wie viele Theologen der Bekennenden Kirche haben sich damals zu diesem Bonhoeffer bekannt? Wie viele der heutigen Zeitgenossen, die sich für ihre militärpolitischen Entscheidungen gern auf ihn als ihren Kronzeugen berufen, würden ihm darin folgen? Bonhoeffer selbst hat seine Entscheidung für den gewaltsamen Widerstand als „bewusste Schuldaufnahme“ bezeichnet.

Das Wagnis der Entscheidung ist auch heute notwendig

Viele Christen folgen heute dem späten Bonhoeffer der Kriegsjahre und lassen den frühen Bonhoeffer von 1934 hinter sich, als sei seine Andacht in Fanö jugendlichem Übereifer oder gar einer schwärmerischen Phase seines Denkens zuzuschreiben Andere vertreten die These vom „Friedensdienst mit und ohne Waffen“ und wollen damit vielleicht dem frühen und späten Bonhoeffer gerecht werden – das dürfte in etwa die Position der Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland sein (EKD), mit der sich auch unsere Regierung unter Angela Merkel gern einverstanden erklären wird.

Auch wenn man vor Menschen größten Respekt haben muss, die bereit sind, für ihre Überzeugung ihr Leben zu opfern, so halte ich dennoch die Entscheidung für den Tyrannenmord oder für Bombenattentate zur Beseitigung verbrecherische Regierungen nicht für den richtigen Weg, der zur Überwindung der zerstörenden Gewalt führen kann, die inzwischen die ganze Menschheit bedroht.

Dagegen Fanö 1934

Es gibt auch für mich problematische Aussagen in dieser Andacht, etwa die vom „blinden Gehorsam“ gegen das Gebot Gottes.
Statt sie zum willkommenen Anlass zu nehmen, die ganze Andacht abzulehnen, sollten wir auf das hören, was darin noch immer und heute erst recht gültig,wegweisend und Not wendend ist.

Ich zitiere die Friedenspredigt von Dietrich Bonhoeffer aus dem Jahr 1934 und markiere die entscheidenden Sätze.

Kirche und Völkerwelt

Dietrich Bonhoeffer am 28. August 1934 auf Fanö

„Ach dass ich hören sollte, was der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen“ (Ps. 85,9)

"Zwischen den Klippen des Nationalismus und des Internationalismus ruft die ökumenische Christenheit nach ihrem Herrn und seiner Weisung. Nationalismus und Internationalismus sind Fragen der politischen Notwendigkeit und Möglichkeiten. Aber die Ökumene fragt nicht nach diesen , sondern nach den Geboten Gottes und ruft diese Gebote Gottes ohne Rücksicht mitten hinein in die Welt.

Als Glied der Ökumene hat der Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen Gottes Ruf zum Frieden vernommen und richtet diesen Befehl an die Völkerwelt aus. Unsere theologische Aufgabe besteht darum hier allein darin, dieses Gebot als bindendes Gebot zu vernehmen und nicht als offene Frage zu diskutieren. „Friede auf Erden“, das ist kein Problem, sondern ein mit der Erscheinung Christi selbst gegebenes Gebot. Zum Gebot gibt es ein doppeltes Verhalten: den unbedingten, blinden Gehorsam der Tat oder die scheinheilige Frage der Schlange: sollte Gott gesagt haben? Diese Frage ist der Todfeind des Gehorsams, ist darum der Todfeind jeden echten Friedens. Sollte Gott nicht die menschliche Natur besser gekannt haben und wissen, dass Kriege in dieser Welt kommen müssen wie Naturgesetze? Sollte Gott nicht gemeint haben, wir sollten wohl von Frieden reden, aber so wörtlich sei das nicht in die Tat umzusetzen? Sollte Gott nicht doch gesagt haben, wir sollten wohl für den Frieden arbeiten, aber zur Sicherung sollten wir doch Tanks und Giftgas bereitstellen? Und dann das scheinbar Ernsteste: Sollte Gott gesagt haben, Du sollst dein Volk nicht schützen; Sollte Gott gesagt haben, Du sollst Deinen Nächsten dem Feind preisgeben?
Nein, das alles hat Gott nicht gesagt, sondern gesagt hat er, dass Friede sein soll unter den Menschen, dass wir ihm vor allen weiteren Fragen gehorchen sollen, das hat er gemeint. Wer Gottes Gebot in Frage zieht, bevor er gehorcht, der hat ihn schon verleugnet.

Friede soll sein, weil Christus in der Welt ist, d.h. Friede soll sein, weil es eine Kirche Christi gibt, um deretwillen allein die ganze Welt noch lebt. Und diese Kirche Christi lebt zugleich in allen Völkern und doch jenseits aller Grenzen völkischer, politischer, sozialer, rassischer Art, und die Brüder dieser Kirche sind durch das Gebot des einen Herrn Christus, auf das sie hören, unzertrennlicher verbunden als alle Bande der Geschichte, des Blutes, der Klassen und der Sprachen Menschen binden können. Alle diese Bindungen innerweltlicher Art sind wohl gültige, nicht gleichgültige, aber vor Christus auch nicht endgültige Bindungen. Darum ist den Gliedern der Ökumene, sofern sie an Christus bleiben, sein Wort und Gebot des Friedens heiliger, unverbrüchlicher als die heiligsten Worte und Werke der natürlichen Welt es zu sein vermögen; denn sie wissen: Wer nicht Vater und Mutter hassen kann um seinetwillen, der ist sein nicht wert, der lügt, wenn er sich Christ nennt. Diese Brüder durch Christus gehorchen seinem Wort und zweifeln und fragen nicht, sondern halten sein Gebot des Friedens und schämen sich nicht, der Welt zum Trotz sogar vom ewigen Frieden zu reden. Sie können nicht die Waffen gegeneinander richten, weil sie wissen, dass sie damit die Waffen auf Christus selbst richteten. Es gibt für sie in aller Angst und Bedrängnis des Gewissens keine Ausflucht vor dem Gebot Christi, dass Friede sein soll.

Wie wird Friede? Durch ein System von politischen Verträgen? Durch Investierung internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern? D.h. durch die Großbanken, durch das Geld? Oder gar durch eine allseitige friedliche Aufrüstung zum Zweck der Sicherstellung des Friedens? Nein, durch dieses alles aus dem einen Grunde nicht, weil hier überall Friede und Sicherheit verwechselt wird. Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg zur Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis, und lässt sich nie und nimmer sichern. Friede ist das Gegenteil von Sicherung. Sicherheiten fordern heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg. Sicherheiten suchen heißt, sich selber schützen wollen. Friede heißt sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, keine Sicherung wollen, sondern in Glaube und Gehorsam dem allmächtigen Gott die Geschichte der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen. Kämpfe werden nicht mit Waffen gewonnen, sondern mit Gott. Sie werden auch dort noch gewonnen, wo der Weg ans Kreuz führt. Wer von uns darf denn sagen, dass er wüsste, was es für die Welt bedeuten könnte, wenn ein Volk – statt mit der Waffe in der Hand – betend und wehrlos und darum gerade bewaffnet mit der allein guten Wehr und Waffe den Angreifer empfinge? (Gideon:... des Volkes ist zuviel, das mit dir ist...Gott vollzieht hier selbst die Abrüstung (Richter 7).

Noch einmal darum: Wie wird Friede? Wer ruft zum Frieden, dass die Welt es hört, zu hören gezwungen ist? Dass alle Völker darüber froh werden müssen? Der einzelne Christ kann das nicht - er kann wohl, wo alle schweigen, die Stimme erheben und Zeugnis ablegen, aber die Mächte der Welt können wortlos über ihn hinwegschreiten. Die einzelne Kirche kann auch wohl zeugen und leiden – ach, wenn sie es doch täte -, aber auch sie wird erdrückt von der Gewalt des Hasses. Nur das eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, dass die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muss und dass die Völker froh werden, weil diese Kirche Christi ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet und den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt.

Warum fürchten wir das Wutgeheul der Weltmächte? Warum rauben wir ihnen nicht die Macht und geben sie Christus zurück? Wir können es heute noch tun. Das ökumenische Konzil ist versammelt, es kann diesen radikalen Ruf zum Frieden an die Christusgläubigen ausgehen lassen. Die Völker warten darauf im Osten und Westen. Müssen wir uns von den Heiden im Osten beschämen lassen? [ nach der Aussage von Zeitzeugen denkt Bonhoeffer dabei an Gandhi] Sollten wir die einzelnen, die ihr Leben an die Botschaft wagen, allein lassen? Die Stunde eilt – die Welt starrt in Waffen und furchtbar schaut das Misstrauen aus allen Augen, die Kriegsfanfare kann morgen geblasen werden – worauf warten wir noch? Wollen wir selbst mitschuldig werden wie nie zuvor?
'Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre? Die könnten mich nicht freun!, ‚s ist leider Krieg – und ich begehr, nicht schuld daran zu sein.!' (M. Claudius)

Wir wollen reden zu dieser Welt, kein halbes, sondern ein ganzes Wort, ein mutiges Wort, ein christliches Wort. Wir wollen beten, dass uns dieses Wort gegeben werde – heute noch – wer weiß, ob wir uns im nächsten Jahr noch wiederfinden?" (D. Bonhoeffer, Gesammelte .Schriften Band I 1958 S. 216-219)
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1 Kommentar:

  1. ich habe ein Buch link siehe unten über das Thema Gnade, es handelt auch über die Gültigkeit der 10 gebote und über die Bergpredigt, Ziel des Buches war zu zeigen, dass die Bergpredigt verbindlicher Maßstab ist, ich schrieb es, um gegen eine billige Gnade Argumente zu liefern, Ich habe meine schreibblockaden überwunden für dieses Buch, natürlich habe ich auch nicht immer schreiben können und ohne einen Lektor arbeiten müssen, aber mein Buch wurde bestimmt von Gott gesegnet, und eine christin hatte das wort dafür, dass gottes geist, dieses Buch vollenden soll, als ich noch nicht alle texte hatte wie ich sie wollte mein buch ist link unten, ich habe es am schluss schneller veröffentlicht als ich wollte, aber neulich noch mal drüberggeuckt genauer und um 7000 wörter gekürzt und überarbeitet link siehe unten und ein Inhaltsverzeichnis habe Ich auch der übersichtlichkeitshalber gemacht, ich hoffe es ist jetzt nicht mehr so zäh http://workupload.com/file/2ntjTsF

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